von sebixmag » Mär 7th, '12, 21:46
Ok, wenn ich mal zusammenfassen darf, wie ich die Problematik verstehe, wie sie hier in verschiedenen Threads und auf Websites zum Vorschein kommt, so bist Du also frustriert, weil Dir die Entwicklung von Linux bzw. von Software, die Du im Zusammenspiel mit dem Kernel verwenden möchtest und welche unter derselben Lizenz steht, nicht schnell genug fortschreitet. Dabei bist Du angewiesen auf andere, weil Du diese Arbeiten oder einen Teil davon nicht selbst leisten kannst. Es geht Dir auch das Testen von neuen, eigentlich bereits verfügbaren Versionen durch eine vertretbare Zahl von Anwendern (was aber eigentlich notwendig ist, um ein Mindestmaß an Stabilität und Sicherheit möglichst zu gewährleisten) nicht schnell genug.
Wenn man es aus der vergleichbaren Perspektive eines Kindes sieht, das es einfach unerträglich findet, auch nur eine Minute länger auf den Osterhasen warten zu müssen, finde ich das durchaus nachvollziehbar. Denken wir so im Sinne der Verbrauchermentalität, warten wir alle auf Lieferungen. Treffen sie nicht oder nach eigener Auffassung zu spät mit Verzögerungen ein, folgt Kritik zwecks Frustrationsabbau auf dem Fuße.
Nun ist es so dass es auch einige (wenige) Leute gibt, die es eben vermögen, eine aktivere Rolle bei der Weiterentwicklung von Linux und anderer GPL-lizensierter Software einzunehmen als Du es kannst; Programmierung, Paketbau, Bugtracking, etc. Leider sind Leute mit diesen Fähigkeiten aufgrund der Anforderungen nicht allzu zahlreich, ihre Mitarbeit daher an vielen Ecken und Enden gefragt. (Vergleiche dazu wobos Ausführungen im anderen, verlinkten Thread.) Sie können nicht zaubern, daher gar nicht alles auf einmal leisten, und doch profitieren aufgrund der Lizenzvorgaben alle, die es wünschen, von ihren Weiterentwicklungen mindestens in Form der Quellcodes, oft gar in Form von vom Upstream zur Verfügung gestellten distributionsspezifischen Paketen. Zunächst beschäftigen sich diese Entwickler damit, Arbeiten an derjenigen Software durchzuführen, die aus ihrer Sicht am dringendsten durchgeführt werden müssen. Das finde ich ebenfalls nachvollziehbar.
Nun äußern frustrierte reine Anwender vom "Early Bird"-Schlag gelegentlich wiederholt ihren Unmut über die aus ihrer Sicht zu langsame Weiterentwicklung insgesamt, wollen gar Richtungsänderungen in ihrem Sinne bewirken, was früher oder später zur Frustration im Entwicklerlager führt.
Die große Preisfrage ist nun, ob wir uns - wenn es sich denn nicht vermeiden lässt - eher ein paar nicht 100%ig zufriedene Anwender "leisten" können oder doch eher frustrierte Entwickler (die es imho ohnehin nicht lange mitmachen werden, den immer neuen Anforderungen der "Early Bird"-Anwenderfraktion hinterherzuhecheln)?
Unser Dilemma ist es nun zu bestimmen, was wohl insgesamt für ein Projekt im Linuxumfeld die beste unter diesen schlechten Auswahlmöglichkeiten ist?
In diesem Sinne halte ich den "Linux ist nicht Windows"-Text für ziemlich zutreffend, eben weil typische Linux-Distributionen nicht in erster Linie die reinen Verbraucherinteressen bedienen (wie Windows, MacOS). Gerade Community-Distros wie Mageia oder Debian bieten sich an, um "eine große Menge Zeit und Mühe" zu investieren, wie es in dem Text heißt, denn das Linuxleben ist kein Wunschkonzert. (Ich werfe dann mal 5 Euro ins Phrasensparschwein.)
Bleiben diese Investitionen aus - oder müssen sie (vorgeblich?) mangels Fähigkeiten, mitwirken zu können, ausbleiben -, so kann es natürlich auch keine "Belohnung" geben in Form eines "Computer[s], der genau so arbeitet, wie Sie es wollen." So kann man es natürlich auch schaffen, das Beste zu verpassen, was Linux anzubieten hat. Die daraus resultierende Frustration ist verständlich: Wenn man es letztlich also trotz jahrelangem Arbeiten mit einer Linux-Distro eigentlich im Grunde immer noch nicht geschafft hat, sich aus der Windows-Verbraucherabhängigkeit zu lösen. Es hilft dann wohl nur noch, die eigenen Erwartungen etwas herunterzustufen, wenn man nicht vom Frust zerfressen werden will.
Oder aber man freut sich einfach des Lebens und daran, was heute schon alles mit Freier Software möglich ist: Das Gute wird mit der Zeit noch besser.
"Do you pine for the nice days of minix-1.1, when men were men and wrote their own device drivers?"
Linus Torvalds, announcing Linux version 0.02, 5 Oct 1991